Scheinselbstständigkeit und Strafbarkeit

Unter Scheinselbstständigkeit versteht man ein als selbstständig bezeichnetes oder fingiertes Beschäftigungsverhältnis, obwohl tatsächlich ein Arbeitsverhältnis besteht. Ob jemand (echter) Unternehmer oder Scheinselbstständiger ist, freier Mitarbeiter, Freiberufler, arbeitnehmerähnliche Person oder Arbeitnehmer, hat für den Auftraggeber oder Arbeitgeber erhebliche Rechtsfolgen, und zwar sowohl im Arbeitsrecht, Sozialrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht als – auch im Strafrecht. Die strafrechtlichen Folgen werden häufig übersehen. Nach § 266 a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Arbeitgeber Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält und zwar unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt auch tatsächlich bezahlt wird. Dies musste auch ein Angeklagter erfahren, der mehrere Jahre lang osteuropäische Pflegekräfte an Privathaushalte in Deutschland vermittelt hatte. Die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen zahlten hierfür eine einmalige Gebühr von mehreren 100,- € sowie eine monatliche Kostenpauschale von noch einmal knapp 100,- €. Die Pflegeleistungen selbst bezahlten die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen. Außerdem hatten die Pflegekräfte Anspruch auf Kost und Logis. Das Landgericht hatte den Vermittler in 82 Fällen verurteilt. Es ging nämlich davon aus, dass zwischen den Auftraggebern und den Pflegekräften Arbeitsverhältnisse begründet worden seien. Überraschenderweise hat der Bundesgerichtshof in einer neuen Entscheidung die Anforderungen an die Strafbarkeit verschärft und damit im Ergebnis das Risiko der Strafbarkeit für die Täter verringert. Reichte es nach der älteren Rechtsprechung bereits aus, dass der Täter von den Umständen wusste, die ihn zum Arbeitgeber und damit abführungspflichtig machten, bewertet der Bundesgerichtshof die Vorsatzproblematik anders. Nun muss der Täter das Vorliegen einer Abführungspflicht mindestens für möglich halten. Ein Irrtum des Täters in der Vergangenheit wurde als bloßer Verbotsirrtum gewertet. Ein solcher Irrtum befreit nur selten von der Strafbarkeit, weil er dazu unvermeidbar gewesen sein muss. Dies aber hatte die einschlägige Rechtsprechung in der Vergangenheit nahezu ausnahmslos verneint und damit die Strafbarkeit bejaht.

Was folgt daraus? Die Chancen für Arbeitgeber, wenn schon nicht mögliche Beitragslasten, so doch eine Bestrafung zu vermeiden, sind nicht unerheblich gestiegen.

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