Grundsätzlich müssen Behinderte bis auf einen relativ niedrigen Schonbetrag auch geerbtes Vermögen einsetzen, wenn sie Sozialleistungen (z.B. Eingliederungshilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, Wohngeld etc.) beziehen.
Um zu verhindern, dass Sozialhilfeträger für erbrachte Sozialleistungen auf das geerbte Vermögen von behinderten Familienangehörigen zugreifen, können Erblasser ihren Nachlass testamentarisch so regeln, dass ein behinderter oder möglicherweise künftig behinderter Familienangehöriger (z.B. Kind oder Ehegatte) die volle staatliche Unterstützung erhält, ohne das geerbte Vermögen einsetzen zu müssen, sog. „Behindertentestament“. Dies geschieht durch die kombinierte Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind solche Behindertentestamente nicht sittenwidrig!
In einer unlängst veröffentlichten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof entgegen den Vorinstanzen die Sittenwidrigkeit selbst dann verneint, wenn in der letztwilligen Verfügung keine konkreten Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker enthalten sind, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Behinderte Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. Aufgrund der grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Testierfreiheit könne eine letztwillige Verfügung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sittenwidrig sein, nämlich bei Verstoß gegen eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder gegen eine allgemeine Rechtsauffassung. Allein die von den Vorinstanzen unterstellte Absicht, durch die Gestaltung des Testaments einen Zugriff der Sozialhilfeträger auf das einem behinderten Familienangehörigen vermachte Vermögen verhindern zu wollen, genüge nicht. Wie der Testamentsvollstrecker das vermachte Vermögen zu verwalten habe, bestimme sich, sofern konkrete Verwaltungsanordnungen des Erblassers fehlen, nach den gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 2216 Abs. 1 BGB). Der Testamentsvollstrecker sei demnach z.B. befugt, Erträge zu thesaurieren und sie an den behinderten Erben nur herauszugeben, soweit sie zur Bestreitung seines angemessenen Unterhalts sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich sind, so dass gemäß dem Willen des Erblassers Sozialhilfeträger auf das geerbte Vermögen des behinderten Familienangehörigen nicht zugreifen können (BGH Beschluss vom 24. Juli 2019, XII ZB 560/18).
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