Insolvenz der GmbH & Co. KG – Ausscheidender Kommanditist mit Abfindungsforderung auf Schlussverteilung verwiesen!

Der Geschäftsanteil eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH war eingezogen worden und er dadurch zugleich aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden. Während des Rechtsstreits um seine Abfindungsforderung und mehr als ein Jahr nach seinem Ausscheiden wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und der GmbH eröffnet. Der Kommanditist hat daraufhin seine Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter hat die angemeldeten Forderungen bestritten. Das Berufungsgericht hat die Abfindungsforderung als nachrangige Insolvenzforderung im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zur Tabelle festgestellt.

Der Bundesgerichtshof (Urteil v. 28.1.2020, Aktenzeichen II ZR 10/19) hat dagegen entschieden, die Abfindungsforderung sei weder Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO noch nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sondern erst bei der Schlussverteilung nach § 199 InsO zu berücksichtigen, wenn ihre Auszahlung gegen §§ 30, 31 GmbHG analog verstoßen würde. Das war vorliegend der Fall.

Nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Instanzgerichtlich und in der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass dieses Kapitalrückzahlungsverbot einer Auszahlung der Abfindungsforderung nicht entgegenstehe, wenn die Abfindung zum Zeitpunkt des Ausscheidens und auch noch ein Jahr danach aus dem freien Vermögen der Gesellschaft hätte bedient werden können. Dem hat der BGH nun ausdrücklich unter Verweis auf die besondere Bedeutung des Eigenkapitals als haftendes Grundkapital, den dadurch bewirkten Gläubigerschutz und die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter – auch der ausgeschiedenen – eine Absage erteilt.

Der BGH schafft mit dem Urteil zwar Rechtssicherheit, verweist aber den ausgeschiedenen Gesellschafter auf die Schlussverteilung des Gesellschaftsvermögens (§ 199 InsO), d.h. den eventuellen Überschuss, der verbleibt, nachdem sämtliche Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt wurden. Damit geht der Gesellschafter in der Praxis regelmäßig leer aus.

Dem dauerhaften Insolvenzrisiko für einen namhaft beteiligten Gesellschafter kann nur durch qualifizierte gesellschaftsrechtliche und steuerlicher Beratung begegnet werden. Diese sollte zum Ziel haben, dass der Ausscheidende nicht aus der Gesellschaft, sondern von den verbleibenden und/oder einem neu hinzutretenden Gesellschafter „abgefunden“ wird, indem seine Anteile an diese veräußert und übertragen werden. Kann keine Einigung über eine Übertragung der Anteile erzielt werden, wäre allenfalls noch eine Liquidation (und gegebenenfalls Neugründung unter den verbleibenden Gesellschaftern) in Betracht zu ziehen.

Wenn Gesellschafter miteinander streiten, wenn ein Gesellschafter kündigt, aber auch im Fall von Insolvenz oder Zwangsvollstreckung kommt es zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen. Dabei ist rechtlich vieles zu bedenken. Die Einziehung ist nach § 34 GmbHG nur möglich, wenn sie in der Satzung der GmbH vorgesehen ist. Der Einziehungsbeschluss der Gesellschafter muss das Schicksal des einzuziehenden Anteils regeln. Außerdem muss der ausscheidende Gesellschafter entschädigt werden. Die Entschädigung, im Zweifel aus Mitteln der GmbH zu erbringen, darf aber nur aus ihrem freien Vermögen geleistet werden. Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen darf nicht angegriffen werden.
Das hat zum einen für den Bestand des Einziehungsbeschlusses erhebliche Bedeutung. Er ist nur wirksam, wenn zum Zeitpunkt, in dem der Beschluss gefasst wird, absehbar ist, dass die Entschädigung künftig in den satzungsgemäßen Raten aus dem freien Vermögen geleistet werden kann – auch wenn sich später herausstellen sollte, dass etwa eine der Raten nicht mehr aus dem freien Vermögen der GmbH geleistet werden kann.
Zum anderen führt dies unter Umständen zur persönlichen Haftung der Gesellschafter. Die GmbH selbst kann dem Anspruch auf Entschädigung des Ausgeschiedenen das Verbot der Auszahlung von zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gemäß § 30 GmbHG entgegenhalten. Die verbleibenden Gesellschafter aber haben gegenüber dem Ausgeschiedenen dafür zu sorgen, dass dieser die Entschädigung erhält, zur Not auch durch Liquidation der GmbH.
Anderenfalls trifft sie eine persönliche Haftung für die Entschädigung. Die macht der Bundesgerichtshof in seiner letzten Entscheidung zu dieser Problematik vom 10.5.2016 (BGH II ZR 342/14) aber davon abhängig, dass die Fortsetzung der GmbH unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des Ausgeschiedenen treuwidrig ist. Anders gewendet: Die Gesellschafter müssen es treuwidrig unterlassen haben, einen Liquidationsbeschluss zu fassen oder Insolvenzantrag über das Vermögen der GmbH zu stellen. Hierfür ist ihnen ein angemessener Reaktionszeitraum einzuräumen.
Diese zusätzliche Treuepflichtkomponente schränkt den Schutz des ausgeschiedenen Gesellschafters ein, weil er das treuwidrige Verhalten der verbleibenden Gesellschafter darlegen und beweisen muss. Die verbleibenden Gesellschafter haften nicht zwingend für die gesamte ausstehende Abfindung, sondern nur für den Betrag, den der Ausgeschiedene bei rechtzeitiger Auflösung der GmbH erhalten hätte.

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